Alpine Freiräume

Ursprüngliche und ruhige Landschaftsräume gehören zur Seele der Alpen
Alpine Freiräume sind noch besonders ursprüngliche und naturnahe Gebiete. Bis auf landschaftstypische Strukturen wie Gipfelkreuze, Almwege oder Berghütten sind sie von Erschließung und Bebauung weitgehend unversehrt und noch frei von störenden Infrastrukturen, menschlichen Lärmquellen, motorisiertem Verkehr und intensiver Nutzung. Sie sind deshalb aber keineswegs ungenutzt. Die traditionelle Landnutzung ist in der Regel tief verwurzelt.

Alpine Freiräume sind für Natur und Mensch unersetzlich!

Diese Gebirgsregionen sind eine Schatzkammer der Artenvielfalt. Alpine Rasen, natürliche Bergwälder, Gebirgsbäche, Moore und Gletscher: In den alpinen Freiräumen findet man seltene Pflanzen und sensible Lebensräume, die sich über Jahrtausende entwickelt haben. Steinbock, Gämse, Schneehase, Murmeltier, Schneehuhn und Steinadler: Die für unsere Heimat typischen alpinen Wildtiere haben hier noch ruhige und zusammenhängende Rückzugs- und Wanderräume.

Durch ihre Ruhe und Ursprünglichkeit bieten alpine Freiräume einzigartige Naturerlebnisse. Für Erholung und Gesundheit sind sie für uns unersetzlich. Die Attraktivität und der Erholungswert dieser einzigartigen Natur- und Kulturlandschaften sind das wichtigste Grundkapital eines zukunftsfähigen Tourismus in Österreich. Doch alpine Freiräume leisten noch viel mehr. Sie versorgen uns mit frischer Luft und sauberem Wasser. Und sie bieten Schutz vor Naturgefahren, indem sie Siedlungen vor Muren, Lawinen und Hochwasser bewahren.

WARUM BRAUCHEN WIR ALPINE FREIRÄUME?

WO LIEGEN DIE LETZTEN ALPINEN FREIRÄUME?

Nur mehr 7% der österreichischen Staatsfläche – das sind rund 5.900 km² – sind 2017 noch weitgehend naturbelassen und infrastrukturell nicht bzw. gering beansprucht.
Die letzten alpinen Freiräume verteilen sich auf sieben Bundesländer. Während in Tirol und Vorarlberg noch knapp ein Viertel der Landesfläche weitgehend naturbelassen und unerschlossen ist, sind alpine Freiräume in der Steiermark, in Ober- und Niederösterreich bereits sehr selten. Tirol beherbergt mehr als die Hälfte aller noch verbliebenen alpinen Freiräume Österreichs.
Die Erschließung von Natur und Landschaft ist in Österreich bereits so weit fortgeschritten, dass in tieferen Lagen kaum noch naturbelassene Landschaftsräume vorhanden sind. Zwei Drittel der verbliebenen alpinen Freiräume befinden sich in den höchsten Gebirgsregionen. Gleichzeitig sind rund 40% der alpinen und nivalen Höhenstufe in Österreich bereits in irgendeiner Art erschlossen, genutzt und verändert.

SIND ALPINE FREIRÄUME BEDROHT?

Jeden Tag wird in Österreich eine Fläche von 17 Fußballfeldern (11,8 Hektar) für Bau-, Verkehrs-, Erholungsflächen und Rohstoffabbau verbaut (Durchschnitt 2016-2018).
Während sich in den Talräumen Straßen, Siedlungs- und Gewerbegebiete ausbreiten, sind es in den Bergen vor allem Tourismus, Wasser- und Energiewirtschaft, die mit großtechnischen Bauten immer mehr Landschaft beanspruchen.

Die Verbauung ursprünglicher Landschaftsräume mit Skigebieten, Staumauern, Wind- und Wasserkraftwerken, Verkehrsinfrastruktur und technischen Anlagen hat schwere Auswirkungen. Die sensible Natur oberhalb der Waldgrenze kann sich von baulichen Eingriffen nur sehr langsam und in vielen Fällen nie mehr erholen. Wertvolle Böden und intakte Ökosysteme wie Moore oder Wälder gehen dadurch unweigerlich verloren. Der Wasserhaushalt natürlicher Fließgewässer wird nachhaltig geschädigt.

Die Erschließung führt zwangsläufig zu einer intensiveren Nutzung und höherem Verkehrsaufkommen. Durch die damit einhergehende zunehmende Zerschneidung der Landschaft verlieren Alpentiere wie Steinbock, Schneehase, Gämse & Co. geeignete Lebensräume.
Außerdem wird das Landschaftsbild belastet, damit der Erholungswert für uns Menschen vermindert und dem nachhaltigen Tourismus die Zukunftschancen genommen.

Mit mehr als 3.000 Liften und Seilbahnen liegt Österreich heute bereits weltweit auf Platz Zwei noch vor den USA. In Österreich bestehen heute bereits über 5.200 Wasserkraftwerke, und mehr als 200 weitere sind derzeit in Planung. Angetrieben durch Klimawandel und Energiehunger dringen Skipisten, Speicherseen, Restaurants, Parkplätze, Staudämme und begleitende Infrastrukturen in immer höhere Bergregionen vor.

Schon heute droht vielen alpinen Freiräumen die Verbauung! Deshalb müssen wir jetzt gemeinsam ein starkes Zeichen an die Politik setzen, bevor die Seele der Alpen endgültig verkauft wird!

SIND ALPINE FREIRÄUME AKTUELL GESCHÜTZT?

Damit auch künftige Generationen die Schönheit und Ruhe alpiner Freiräume erleben können, müssen sie von belastender Infrastruktur, Verkehr und Lärm freigehalten werden.
Österreich hat sich in der internationalen Alpenkonvention bereits 2002 verbindlich dazu verpflichtet, Ruhezonen auszuweisen, in denen auf touristische Erschließungen und Infrastrukturen für Energieproduktion und -transport verzichtet wird. Solche Ruhezonen können im Naturschutz und der Raumordnung umgesetzt werden.

Doch der technischen Erschließung und Verbauung der alpinen Natur- und Kulturlandschaft sind in Österreich heute kaum Grenzen gesetzt. Im Naturschutz bestehen bestimmte Schutzgebiete, in denen eine Erschließung durch großtechnische Infrastruktur verbindlich und weitgehend ausgeschlossen ist. Dazu gehören Kernzonen von Nationalparks, Sonderschutzgebiete, Naturschutzgebiete und Ruhegebiete, die es bislang nur in Tirol gibt. Die Raumplanung kennt Instrumente wie Grünzonen, deren Ausweisung sich aber bislang auf Talräume beschränkt.

Österreich muss die Verpflichtungen der Alpenkonvention endlich ernst nehmen und ausreichend erfüllen, um die letzten alpinen Freiräume zu erhalten. Derzeit macht die Politik das Gegenteil: Im Jahr 2014 wurden die Bestimmungen der Ruhegebiete in Tirol sogar aufgeweicht, um den Bau von Kraftwerken in bislang unversehrten Naturräumen zu ermöglichen.

Bayern hat bereits 1972 ein Instrument geschaffen, mit dem die technische Erschließung der Alpen gelenkt, die Übernutzung von Natur und Landschaft verhindert und alpine Freiräume langfristig erhalten werden. Im bayerischen Alpenplan sind fast 43% des gesamten Alpenraum Bayerns als Ruhezone festgelegt. Hier sind alle technische Erschließungen mit Ausnahme von Almwegen und Forststraßen unzulässig.

Von den verbliebenen alpinen Freiräumen in Österreich liegen rund 40% (2.260 km²) in einem Schutzgebiet, das sie vor großtechnischer Erschließung ausreichend schützt. Doch das heißt gleichzeitig, dass rund 60% (3.610 km²) der verbliebenen alpinen Freiräume in Österreich vor belastender technischer Verbauung ungeschützt sind. In Tirol betrifft dies 58%, in Vorarlberg sogar 95% der verbliebenen alpinen Freiräume.
Ruhegebiete – eine Besonderheit Tirols
Die Schutzgebietskategorie „Ruhegebiet“ besteht bislang nur im Bundesland Tirol. In Ruhegebieten sind bestimmte Maßnahmen untersagt, dazu gehören die Errichtung lärmerregender Betriebe sowie von Seilbahnen für die Personenbeförderung, der Neubau von Straßen mit öffentlichem Kraftfahrzeugverkehr, jede erhebliche Lärmentwicklung (ausgenommen Maßnahmen zur „Energiewende“) sowie Landungen und Abflüge mit Luftfahrzeugen. Die acht bestehenden Ruhegebiete umfassen insgesamt rund 11% der Tiroler Landesfläche und beherbergen rund ein Viertel der verbliebenen alpinen Freiräume Tirols.

Die Einrichtung von Ruhegebieten kann ein sinnvolles Instrument darstellen, alpine Freiräume vor großtechnischer touristischer Erschließung langfristig zu bewahren. Ein Schutz vor energiewirtschaftlichen Großprojekten wie Wasserkraftwerken ist in Ruhegebieten allerdings nur mehr bedingt gegeben, seit 2015 eine Ausnahme für erhebliche Lärmentwicklungen durch Vorhaben der „Energiewende“ festgelegt wurde. Zudem wurde seit 17 Jahren kein neues Ruhegebiet mehr eingerichtet.